CHARLOTTE- In a nutshell

Hey there,

nach über zwei Monaten wollte ich mich mal zurückmelden und ein bisschen etwas von mir, meiner neuen Familie, Freunden, Schule und freien Tagen erzählen. Beim Skypen und Hin- und Herschreiben habt ihr sicher schon viel mitbekommen, aber sicher ist sicher 🙂

Da ich nach meiner Landung am Flughafen in Richmond mein Handgepäck im Flieger vergessen habe und meine Gasteltern und meine Schwester Anna mit mir eine Stunde auf den Koffer warten mussten, hatten wir erstmal Zeit die allerwichtigsten Dinge zu besprechen 😛 Die Pläne für die nächsten (sehr vollen) Tage, was es zum Abendessen geben wuerde (Süßkartoffeln, Hühnchen und Gemüse), die Clichées Deutschland/Amerika und umgekehrt, Familientraditionen und Lieblingsfilme, …

Alma und ich am Frankfurter Flughafen
Alma und ich am Frankfurter Flughafen
Über den Wolken
Über den Wolken

Als wir dann schließlich bei unserem Haus ankamen, übten Zach und Josh gerade Schwertkampf im Garten. Sam hielt mir die Tür auf und fing sofort an zu erzählen, was er gerade aus Lego gebaut hatte bzw. was seine Projekte waren. Ich konnte mich also gleich zu Hause fühlen, Felix 😛  Das Abendessen war sehr gut und an dieser Stelle muss ich das Clichée von fettigem, amerikanischem Essen wirklich abstreiten; ich ernähre mich hier vor allem von Bageln, Obst, Smoothies, Joghurt und abends etwas Gekochtem.

Home 3.JPGUnser Haus ( der Familien – Van namens Han – Rosi fehlt leider)
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Zach zwirbelt Bindfaden fuer einen neuen Bogen – er üHome 1- Anna.JPGbt häufig in unserem kleinen Wald hinterm Haus oder stellt Fallen auf – erfolgreich.
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Sam praesentiert euch unser Lego – Schwimmbad

Danach haben wir uns alle im Wohnzimmer versammelt zum Compline, der Familientradition abends gemeinsam kurz zu beten und zu singen. Anfangs erschien mir das etwas merkwürdig. Mittlerweile liebe ich es, nach einem anstrengenden Schultag mich mit meinen Geschwistern aufs Sofa zu kuscheln und zehn Minuten einfach Ruhe von allem zu haben. Danach fangen wir manchmal noch einen Film an oder Anna und ich gehen joggen oder hoeren Musikn in unserem Zimmer.

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​Anna in unserem Zimmer

Home 2.JPGJosh, Anna und Zach sehen sich alte Videokasseten an ( wir haben einen TV – Room mit Sofas, Decken und Kissen, das brauchen wir auch zu Hause!)

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Einer meiner Lieblingsorte zum Lesen.

Abgesehen von Compline wird es äußerst selten still im Haus – wofür ich sehr dankbar bin 😉  Oft sind Nachbarn und Freunde zu Besuch, im Garten spielen wir Frisbey oder Fußball, die Jungs streiten und jagen sich und immer singt jemand, spielt Klavier oder Gitarre oder hat in der Kueche Musik an. Meine Gastmutter ist deswegen oft etwas gestresst. Neben Homeschooling kocht sie, ist in der Gemeinde aktiv und bei einer Organisation fuer Obdachlose und muss uns immer mit dem Auto von A nach B fahren – ohne Führerschein ist man tatsächlich sehr hilflos hier.

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Sam und unsere Nachbarn haben einen Limonadenstand aufgebaut. Im Vordergrund mit den blauen Haaren ist DeeDee, meine Freundin und Deutschland-Fussballfan.

Unter der Woche habe ich jetzt immer von 8-15 Uhr Schule. Geschichte Europas, Algebra, Religion, Physik, Politische Wissenschaften, Logik, Latein und Amerikanische Literatur. Da in den Stunden nur drei bis fünfzehn Schüler sitzen, ist der Unterricht relativ locker. Man hat viel mehr Zeit fuer Fragen oder einfach zum Unterhalten – ich habe noch nie mehr ueber das Privatleben von meinen Lehrern gewusst von Lieblingsfilmen bis zu Highschoolgeschichten und mein History – Lehrer hat uns neulich zu einem Test sogar den Teddy seiner Enkelin und Suesses mitgebracht.

Dafür ist zwischen den einzelnen Stunden wenig Zeit, es gibt nur eine große Pause, in der ich mich wirklich ungestört mit meinen Klassenkameraden und den Kleineren unterhalten kann. Jeder versteht sich mit jedem, dafür gibt es nur wenig richtige, beste Freunde. Dass man sich an Wochenenden zu Movienights trifft oder in der Stadt ist eher die Ausnahme. Manche meiner Klassenkameraden treffe ich in der Gemeinde oder Feiern oder beim Swingdancing jeden Samstag. Die klassischen Taenze sind hier sehr beliebt, aber auch Line-Dancing, The Chicken Dance und Virginia-Reel werden hier oft getanzt bei groesseren Events.

Viele Mitschüler kannte ich auch schon von der Kirche, die hier der ultimative Treffpunkt ist. Meine Schule geht dort jeden Freitagmorgen zur Messe, unsere halbe Nachbarschaft und ein Großteil unserer Freunde trifft sich sonntags zum Gottesdienst und meine Familie ist sowieso fest in der Gemeinde verankert. Wir sind in einer Art Organisationsteam, die Jungs ministrieren und Anna singt in der Band (hab ich neulich auch mal probiert und kam mir neben den Broadway-Stimmen doch sehr fehl am Platz vor). Das ist einerseits sehr schön, denn so verliert man niemanden aus den Augen und lernt schnell viele Leute kennen. Aber es ist umso schwerer Leute von außerhalb zu treffen. Ich hatte manchmal die Chance meine Gastmutter zu einer Foodbank zu begleiten, wo Essen an Arme ausgeteilt wird und wo ich viele Fluechtlinge kennengelernt habe. Aber da das nicht regelmaessig stattfindet, hoffe ich hier bald einen Job zu finden, bei dem ich nochmal eine komplett andere Sorte Menschen kennenlernen kann.

Wenn man durch  Williamsburg läuft würde einem gar nicht auffallen, dass es hier auch arme Menschen gibt. Zum einen gibt es die großen Freizeitparks etwas weiter außerhalb, zum anderen die Freilichtmuseen der ersten europaeischen Siedlungen in Jamestown und das Stadtzentrum CW (Colonial Williamsburg). Dieser Stadtteil ist der eigentliche Grund, warum es hier so viele Touristen gibt. Die zum Teil originalen, alten Häuser mit verkleideten Menschen, Seifereien, Käsereien, Schmieden und Maerkten lassen CW wirken, als waere die Zeit angehalten worden.

Am besten gefallen mir die Ecken etwas ausserhalb von CW mit kleinen Cafés und Bars, alten Buchläden und versteckten Gärten mit Kletterbäumen. Wenn ich mir in der Bibliothek Musik oder Filme hole oder meine Schwester von ihrer Arbeit in der Konditorei abhole, warte ich dort gerne für ein, zwei Stunden.

Anna und ich teilen uns ein Zimmer und niemals hätte ich gedacht, dass es mir sogar besser gefallen könnte, als eins für mich allein zu haben. Natürlich sind wir nicht immer gemeinsam im Zimmer, aber abends ist es super zum Reden oder Filme schauen oder wenn ich Übersetzungshilfe bei schwierigen Essays brauche 😉 Die letzten Tage haben wir häufig bei Freunden übernachtet, waren in CW oder mit Josh babysitten, was hier sehr gut bezahlt wird 😉

An Wochenenden sind oft unsere Grosseltern zu Besuch oder wir besuchen Freunde und Familie. Zum Beispiel haben wir meine beiden grossen Schwestern an ihren Colleges in DC besucht oder waren dort zu meinem Geburtstag im American History Museum. Wir waren neulich in New York State, um Familie und die schoen gefaerbten Herbstblaetter im Norden zu sehen. Dieses Wochenende an Halloween waren wir natuerlich trick-or-treating, das heisst wir sind verkleidet als Robin Hood (Sam), einer Fee (Anna), Rapunzel, ein Pirat und ein Zombie (Freunde von mir) und ich als Esmeralda (von Der Gloeckner von Notre Dame) um die Haeuser gezogen, haben an Haustueren geklingelt und Suessigkeiten eingesammelt und in unsere Kopfkissenbezuege gestopft.

Es fühlt sich seltsam an dann samstags aus D.C. oder New York State wieder nach Williamsburg zu fahren und sich schon auf “zu Hause” zu freuen, ein zweites zu Hause. Die zwei Monate sind so schnell verflogen und ich hab in dieser kurzen Zeit schon so viele Menschen kennengelernt und mit ihnen schoene Dinge erlebt. Das alles herunterzubrechen ist ziemlich schwer, aber ich hoffe ihr habt trotzdem einen Eindruck von hier bekommen.

Ich hoffe euch geht es allen gut & bis bald!

Charlotte/Lollo

3 Gedanken zu “CHARLOTTE- In a nutshell

  1. Maresa schreibt:

    Liebe Charlotte,

    wie geht’s Dir ??? Alles gut überstanden / genossen – Hochzeit, Geburtstag, Schulbesichtigung etc.?
    Denke an Dich und freu mich, wenn ich mich mit Dir freuen kann 🙂

    LG aus München von der Tante

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